Stefan Voelkel - Voelkel GmbH_2005Was haben Stefan Voelkel (Voelkel), Judith Moog (Bio Planète) und Orhan Yilmaz (Morgenland) gemeinsam?
Sie gehören zu den Pionieren der Bio-Branche und haben sich der Bio-Bewegung verschrieben, weit bevor viele andere den Gedanken verfolgten. Taucht ein mit mir in die Anfänge der Bio-Bewegung in Deutschland.

In der Familie Voelkel bekommt der Begriff  „Früchte tragen“ eine tiefere Bedeutung. Seit nunmehr vier Generationen trägt die Arbeit der Gründer Margret und Karl Voelkel Früchte – im wahrsten Sinne des Wortes durch Obst- und Gemüsesäfte und im übertragenen Sinne durch die Leistungen des Unternehmens, die über das Saftpressen weit hinaus gehen. Für Stefan Voelkel war prägend, wie er als Siebenjähriger in den Ferien bei den Großeltern die schwarzen Johannisbeeren von den Sträuchern gepflückt hat. Den Geschmack dieser reifen Früchte hat er immer noch auf der Zunge, wenn er beim Erzählen an seine Ursprünge als Safter zurückgeht. Margret und Karl Voelkel waren von der Wandervogelbewegung inspiriert, siedelten in den 1920er Jahren im Wendland, setzten Sträucher und Bäume, zogen mit ihrer Dreirad-Handpresse durch die Gegend, um vor Ort die frisch geernteten Früchte in Saft zu verwandeln und in der eigenen Küche pasteurisiert in Flaschen zu füllen. Was 1936 in einer stillgelegten Molkerei in Pevestorf dann schon professionellere Züge annahm, ist kein Vergleich zum heutigen Betrieb an diesem historischen Standort.

Aus der Region, aus allen Teilen Europas und von den gut betreuten ökologischen und vor allem biodynamischen Projekten in aller Welt kommen Obst und Gemüse ins Wendland. Gerade die Demeter-Qualität liegt allen Voelkels am Herzen – treu in den Fußstapfen der Gründer, die sich Rudolf Steiners Koberwitzer Kurs für eine zukunftsfähige Landwirtschaft prompt hatten schicken lassen – „per Mail“, wie Stefan Voelkel mit dem Schalk in seinen leuchtenden Augen so gerne sagt. So viel moderner Technik wie nötig, Aufmerksamkeit der beteiligten Menschen und  Kreativität für innovative Mix-Rezepturen sorgen in Pevestorf für Säfte, die Genuss und gute Ernährungsqualität aufs Beste vereinen.

Der berufliche Weg war dem 1958 geborenen Stefan Voelkel sozusagen mit der Muttermilch – oder der Saftflasche? – vorgegeben. „Mir ging es schon als Junge nicht nur darum, das Taschengeld aufzustocken, wenn ich mitgeholfen habe“, sagt er. „Schon immer war ich daran interessiert, wie es mit unserer Safterei weiter geht.“ Und sein Ur-Herzenswunsch war, dass es weitergeht. Dafür hat der Enkel der Gründer früh Verantwortung übernommen. Gegen den Strom – der ihn eigentlich wie seine Kumpels nach dem Abi erst mal auf eine Weltreise hätte treiben sollen – nahm Stefan Voelkel unverzüglich am Saftkursus des Fruchtsaftverbands teil. „Immerhin war für mich, den Jungen aus Pevestorf, Frankfurt damals ja fast auch schon eine Weltreise“, lacht er und verweist mit Stolz darauf, dass die heutigen Voelkel-Azubis bei den Frankfurter Saftkursen des Fruchtsaftverbandes stets überragend gut abschneiden. „Kein Wunder, diese Fülle an Obst und Gemüse, diesen Mix aus Handarbeit und Technik, dieses Qualitätsverständnis prägt unsere Ausbildung und ist nicht vergleichbar mit konventionellen Strukturen.“

Klingt ein wenig Wehmut mit, wenn Stefan Voelkel erklärt, dass er dann bereits im 21. Lebensjahr durch eine Erkrankung seines Vaters die Führung des Familienbetriebes übernehmen musste? Die ist schnell weg, wenn er voller Freude lebendige Bilder aus der Gründerzeit der Bio-Szene ausmalt. Erste Bestellungen kamen damals vom Berliner Bioladen von Werner Adam, aus dem dann später sogar der Großhandel Terra hervorgegangen ist. Der kleine Stefan war fasziniert, wenn der alte VW-Bulli auf den Hof rollte, der Ladner mit seinen schulterlangen Haaren die Kästen bis weit über die Zuladungsgrenze einräumte und zurück nach Berlin tuckerte. Das muss Anfang der 80er Jahre gewesen sein. Ähnlich tief hat sich eingeprägt, wie Vater Harm Voelkel jeden letzten Mittwoch im Monat alles dransetzte, pünktlich zum Treffen der Bäuerlichen Gesellschaft Nordwestdeutschlands mit Demeter-Urgestein Joachim Bauck an der Spitze zu starten. Saft hat er mit hingenommen, Gemüse und die begehrte Demeter-Wurst mit zurück gebracht – zur Freude seiner Frau Gisela, die nicht nur die Familienarbeit bewältigte, sondern den Saftbetrieb mit vorantrieb. Die Verbindungen, die damals in diesem Netz der Öko-Avantgarde geknüpft wurden, halten bis heute. Das gilt auch für die ersten ausländischen Projekte der Voelkels. Schon Vater Harm hatte Demeter-Trauben aus Italien ins Wendland geholt, Stefan ging bereits kurz nach seiner schulischen Laufbahn nach Israel und inspirierte dort Bauern, ihre Orangen- und Grapefruit-Haine auf biodynamisch umzustellen. Gar nicht viel später folgte dann schon das indische Mango-Projekt.  Ein Unternehmer-Leben mit großer Fülle – und trotz vielleicht nie gelebtem jugendlichem Leichtsinn hat der Pionier Stefan Voelkel seinen frühen Schritt an die Spitze des Betriebes nie bereut – und die ausgefallene Weltreise nach dem Abitur machen die regelmäßigen Besuche bei den Anbauern auf allen Kontinenten allemal wett. Das denken wohl auch die Voelkel-Söhne, von denen die vier großen – Boris, Jacob, David und Jurek – allesamt bereits ins Unternehmen eingestiegen und gern in Pevestorf geblieben sind. Die Weichen für eine nachhaltige Zukunft der Voelkel-Safterei sind längst gestellt.

Zum 75-jährigen Firmenjubiläum in diesem Jahr entschieden Stefan Voelkel und seine vier erwachsenen Söhne, dass sowohl die Gründungsimpulse als auch ein nachhaltiges, ökologisch und ökonomisch sinnvolles Wirtschaften am besten in einer Stiftung umzusetzen sind. „Als Familienbetrieb geben wir damit auch ein gesellschaftliches Signal“, betont Stefan Voelkel. Er verbindet Jubiläum und Stiftungs-Gründung gern mit dem hörbar wertschätzenden Dank an seine erste Frau Grit sowie an alle Mitarbeiter*innen. Es ist ihm ein echtes Anliegen, diese Menschen, die nicht in der ersten Reihe stehen, ins Bewusstsein zu nehmen.

Angesichts der Herausforderungen in der Lebensmittelwirtschaft beschäftigen sich die Voelkels der dritten und vierten Generation nun mit der Weiterentwicklung der Bio-Branche – „mit Hoffnung und Sorgen gleichermaßen in Bezug auf unsere Urpartner, die Bioläden“, wie Stefan Voelkel meint.  „Wie sieht der Bioladen 2020 aus? “ fragt er und kündigt an: „Darüber nachdenken wollen wir gern gemeinsam.“ Ihm geht es dann auch darum, die Werte der Pioniere tiefer in die Gesellschaft hineinzutragen. Leidenschaftlich plädiert der Endfünfziger für mehr Öko-Fläche in Deutschland und der Welt, für mehr Bio-Lebensmittel, für faires Miteinander über die Wertschöpfungskette: „Um das Land zu gesunden und die Menschen mitzunehmen.“  Denen, seinen Kund*innen, will er noch klarer vermitteln: „Beim Einkauf wählst du, dabei entscheidest du, welches System du unterstützt.“ Solche Aspekte möchte der Senior an der Voelkel-Spitze „politisch höher hängen“ und mit „ein bisschen weniger reden, ein bisschen mehr handeln“ Zeichen setzen. Sein Optimismus dafür speist sich aus dem Wissen, dass „unser Naturkost-System sich dadurch auszeichnet, dass alle Menschen, die dabei sind, diesen Spirit haben – und jetzt der kaufmännisch notwendige Spirit dazu gekommen ist.“ Die Energie für all die Aufgaben im Jetzt und in der Zukunft liefern die allmorgendlichen Yogaübungen, der Grüne Sencha-Tee, 20 Minuten Fahrradfahrt zur Firma vorbei an Kranichen und Störchen, von denen in den Nebelschwaben der Heimat manches Mal nur die Füße zu sehen sind. Und dass zu den tiefsinnigen Überlegungen und strategischen Bündnissen dann die kleinen Taten des Tages so gut passen wie die in der Hosentasche des Stefan Voelkel gesammelten Samen der Wendland-Natur, die sein vierjähriger Sohn Oskar entschlossen über den Gartenzaun wirft, lässt nicht nur Mutter Ruth und den stolzen Papa strahlen, sondern auch die ersehnte Vielfalt aufblühen.

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Weitere Infos zu Voelkel:
www.voelkeljuice.de