Alter Rebstock

Herbstzeit ist Erntezeit! Das gilt auf jeden Fall für Winzerinnen und Winzer, denn im September und Oktober sind alle zur Weinernte auf den Beinen. Aber wie wird aus den frischen Trauben eigentlich Wein? Ich war bei der Ernte auf einem Bio-Weingut in Südfrankreich dabei und möchte euch zeigen, was da passiert. Weil die viele Arbeit auch Appetit macht, gibt es dann noch zwei Bioweine als Empfehlung – einen von der Rhône und einen von der Mosel.

In der Nicht-Provence

Provence Mont Ventoux

Das ist vielleicht, hm, meine Lieblingsgegend der Welt überhaupt. Jedenfalls an den Rändern des Sommers, denn ich könnte mir vorstellen, dass es im Winter auch ganz schön trist werden kann. Wir sind in der französischen Provence nördlich vom Mont Ventoux. Eigentlich heißt die Region hier noch gar nicht Provence, sondern Rhône-Alpes. Vielleicht liegt es am Namen, dass es selbst zur Hochsaison nicht so schrecklich überlaufen ist wie an den Top-Tourismus-Orten weiter südlich. Gerade zur Zeit der Weinernte, die sich durch den gesamten September zieht, ist es hier wirklich wunderschön. Das Weingut, dessen Wein ich euch weiter unten noch vorstellen möchte, heißt Domaine des Treilles und befindet sich in genau dieser Ecke.

 

Weinernte – die Lese

Zur Weinernte sind zwar keine großen Touristenmassen da, aber dafür summt und brummt es auf den Feldern. Oft hat das Brummen damit zu tun, dass die Trauben maschinell geerntet werden – mit einem sogenannten Vollernter. Das hat den Vorteil, dass es schneller geht – sehr praktisch an einem warmen Vormittag. Aber dafür können die Trauben im Weinberg natürlich nicht unbeschädigt ausgewählt werden, wie das bei hochwertigen Weinen der Fall ist. Bei alten Rebstöcken wie auf dem Titelfoto, die ohne Drahtrahmen auf den Feldern stehen, kann die Erntemaschine ohnehin nichts tun. Hier muss alles von Hand gepflückt werden. 

Weinernte Traubenanlieferung

Auf diesem Bild seht ihr, wie die gesammelten Trauben beim Weingut angeliefert werden. Anschließend werden sie entrappt, also die Beeren von den Stielen getrennt. Und dann – aber das macht auch nicht jedes Weingut – kann man die einzelnen Beeren noch von Hand sortieren. Die Helfer/innen achten dabei darauf, dass keine faulen Beeren mit in den Wein kommen.

 

Weinernte – die Gärung

Weinernte Weingut Stahltank

Eines der Wunder in der Welt der Lebensmittel ist die Gärung. Eigentlich würde man ja sagen, dass Frisches auf diese Weise verdirbt. Aber wenn es unter bestimmten Rahmenbedingungen abläuft, verdirbt es eben nicht, sondern durchläuft eine gewisse Metamorphose. Ob Käse, Joghurt, Kimchi oder Bier – alles hat so einen Fermentationsprozess durchgemacht. Beim Wein sorgen Hefen dafür, dass der Zucker aus den Trauben zu Alkohol umgewandelt wird. Dabei entstehen allerdings auch CO2 und Wärme, weshalb die Gärgefäße oben eine Öffnung haben müssen. Meist werden Stahltanks für die Gärung benutzt, weil sie leicht zu säubern sind und der Weinsäure standhalten.

Weinernte Rotweinmaische

Oben seht ihr, dass die Beeren tatsächlich mit ihren Schalen vergoren werden. Das passiert aber nur beim Rotwein. Denn in den Beerenschalen befinden sich sowohl Farbstoffe als auch Gerbstoffe, und beides möchte man in Rotweinen haben. Würden die Beeren gleich abgepresst werden, die Gärung also ohne die Schalen ablaufen, könnte man sogar einen Weißwein aus eigentlich roten Trauben herstellen. Genauso wird übrigens Rosé bereitet, also mit einem nur sehr kurzen Kontakt der Maische (so heißen die gärenden Beeren) mit den Traubenschalen.

 

Domaine des Treilles Biowein

Domaine des Treilles bio

Und dies ist der Wein, den ich weiter oben bereits angekündigt hatte. Die Domaine des Treilles ist ein Weingut in Montbrison-sur-Lez, das schon seit 25 Jahren biologisch arbeitet. Dabei stellt die Familie Mery nicht nur Wein her, sondern auch Olivenöl – und im Winter suchen sie Trüffel. Der rote Côtes du Rhône des Weinguts hat wirklich eine Vielzahl von Labels auf dem Etikett: Er ist bio-zertifiziert, vegan und ohne Schwefelzusatz. Zwei verschiedene Rebsorten sind in dem Wein enthalten, nämlich 60% Syrah und 40% Grenache.

Beide Sorten sind schon sehr alt und werden seit Jahrhunderten an der südlichen Rhône angebaut. Grenache stammt als Garnacha ganz ursprünglich aus Spanien und wurde im 14. und 15. Jahrhundert nach Südfrankreich gebracht, wo sie die wichtigste Rebsorte im Châteauneuf-du-Pape ist. Syrah stammt von der nördlichen Rhône, und es wird spekuliert, dass bereits Plinius der Ältere zur Römerzeit von genau dieser Rebsorte berichtet hat.

Der Wein riecht bereits sehr fruchtig nach roten und schwarzen Beeren, also Brombeere und Himbeere. Im Mund macht ihn die schön präsente Weinsäure sehr frisch. Ich schmecke zusätzlich zur Himbeere auch rote Johannisbeere, ein bisschen Eukalyptus und eine leichte Pfeffrigkeit, die ein typisches Merkmal für Grenache ist. Das ist ein Wein, der viel von seiner Landschaft erzählt, von den heißen Tagen, von den kühleren Nächten und vom Mistral, der durch die Reben pfeift und die Rebkrankheiten vertreibt. Natürlich passt so ein Wein am besten zu mediterranen Speisen – mit Auberginen, Rosmarin, Knoblauch und Olivenöl.

 

Weinernte an der Mosel

Moselweinberg Uhlen

Entlang der Mosel gibt es eine der spektakulärsten Weinlandschaften der Welt. Wer zum ersten Mal an den steilen Hängen des Tales steht, kann sich kaum vorstellen, wie man hier überhaupt Weinbau betreiben kann. Manche Weinberge sind dabei so steil, dass die Winzer eine kleine „Seilbahn“, die sogenannte Monorackbahn, benötigen, um an ihre Reben zu kommen. Die Weinernte an der Mosel ist dadurch nicht nur eine anstrengende, sondern manchmal auch eine ganz schön gefährliche Angelegenheit.

Weißweinmaische

Auf diesem Foto seht ihr einen gärenden Weißweinmost. Das kann man nicht nur an der helleren Farbe erkennen, sondern auch daran, dass keine Traubenschalen mehr enthalten sind. Beim Weißwein werden die Beeren gleich nach Anlieferung gepresst, und nur der Saft beginnt zu gären. Trotzdem sieht das Ganze natürlich noch nicht wie ein „echter“ Weißwein aus. Anders als beim naturtrüben Apfelsaft sind viele Konsumenten beim Weißwein nur glücklich, wenn sie ein transparentes Getränk im Glas haben. Aber wer weiß, vielleicht sehen das die Menschen in 30 Jahren einmal anders, und alle trinken naturtrüben Wein…

 

Beetle – Riesling von der Mosel

Beetle Riesling Mosel Biowein

Riesling ist die allerwichtigste Rebsorte an der Mosel, aus der die bekanntesten Weine Deutschlands gekeltert werden. Auch Riesling ist eine sehr alte Rebsorte, die bei uns schon seit mehr als 600 Jahren angebaut wird. All diese alten Rebsorten wurden ursprünglich nicht gezüchtet, sondern sind aus natürlichen Kreuzungen verschiedener „wilderer“ Reben entstanden. Beim Riesling sind das der Heunisch (eine noch ältere Sorte), eine bestimmte Traminer-Sorte und der Wilde Wein. Irgendeinem Urwinzer hatte der Geschmack dieser am Feldrand gefundenen Trauben gefallen, er hatte daraus einen neuen Rebstock gezogen, und so ging es dann mit der Selektion über die Jahrhunderte weiter.

Der Beetle ist ein reinsortiger Riesling von Timo Dienhart aus Maring-Noviand. Gemeinsam mit Andreas Thran hat er es sich zum Ziel gemacht, die Insektenvielfalt in den Weinbergen wieder zu erhöhen. Dabei säen die beiden nicht nur Wildblumen, sondern installieren auch Insektenhotels direkt an den Weinstöcken.

Der Wein aus dem Honigberg (so heißt passenderweise die Weinlage) besitzt alles, was für einen Riesling typisch ist: Viel Frucht bereits in der Nase wie Zitrusfrüchte, grüner Apfel und Pfirsich. Im Mund ist der Wein frisch und leicht – und nicht etwa ein dicker Brummer, den man besser nur aus dem Fingerhut zu sich nimmt. Der Riesling Beetle passt deshalb hervorragend zu Flammkuchen, weil er die leicht süßliche Note von Rahm und Zwiebeln sehr gut aufnimmt. Aber auch beim brotlastigen Abendessen macht so ein Wein nicht schlapp.

Tatsächlich beginne ich wieder stärker an die Abendgestaltung zu denken, auch kulinarisch. Irgendwie muss das etwas damit zu tun haben, dass die Tage spürbar kürzer werden…