Schon vergessen? Es war ein extrem heißer, extrem trockener und extrem langer Sommer. Selbst jetzt im Herbst leidet das Land vielerorts immer noch unter der Dürre. Auch wenn Bauern manchmal unterstellt wird, sie klagten grundsätzlich über das Wetter, gilt für 2018: es war ein ungewöhnlich herausfordernder Sommer für Bäuer*innen und Gärtner*innen. Aber in den Regalen und auf den Preisschildern in den Biomärkten merken wir Kund*innen davon fast (noch) nichts. Und das, obwohl bei Gemüse und Getreide –regional unterschiedlich – Ernteeinbußen bis zu 50 Prozent zu beklagen sind. Zeit für einen etwas anderen Erntedank-Rückblick.

So früh wie nie haben die Reben an der Nahe in diesem Wetter-Rekordjahr ausgetrieben © ww.zwoelberich.de

Fangen wir vorne an, im März: Der biodynamische Weinbauer Hartmut Heintz kann sich nicht erinnern, jemals so einen frühen Austrieb an seinen Reben gesehen zu haben. Dabei ist er nicht mehr blutjung (57)…. und sein Weingut „Zwölberich“ hat eine jahrhundertelange Familientradition (seit 1711). Es wird seit 1987 biologisch und seit 1993 biologisch-dynamisch bewirtschaftet. In Langenlonsheim im Weinbaugebiet an der Nahe entdeckten die Winzer vom Zwölberich im frühen März 2018 die ersten zarten Knospen an den knorrigen Weinstöcken. Das Rebholz wurde von der Sonne und ihren warmen Temperaturen animiert, zu einem echten Rekordtermin auszutreiben. Für Weinbauern entpuppte sich das Extrem-Jahr 2018 als einerseits voller traumhafter Bedingungen für den Austrieb bis zur Blüte. Für die reichlich humusversorgten Böden waren es gute Wachstumsbedingungen. Deshalb zeichnete sich schon zeitig ein vielversprechender Fruchtansatz. Andererseits kam dann ab Mai die Trockenheit. Im Juli wurden schließlich Qualitätsunterschiede der einzelnen Standorte deutlich. Auf den Kiesböden entlang des Guldenbachtals zeigten sich erste Symptome von Trockenheit, während die tiefgründigen Böden in den Lagen Steinchen und Löhrer Berg ohne Wasserstress durchhielten. Die fünfjährigen Spätburgunder mussten trotz einer Wassergabe von 130.000 Litern im August teilweise von den Trauben befreit werden, um das Überleben der Rebstöcke zu sichern. Dagegen zeigten sich die über 40 Jahre alten Weinberge mit ihrem weitreichenden Wurzelwerk von Hitze und Trockenheit fast unbeeindruckt. Trotz der Trockenheit ging die Traubenentwicklung dann rasend schnell und  am 24. August begann die früheste Lese aller Zeiten. Eine qualitativ hochwertige und ertragsreiche Ernte weckt jetzt natürlich die Vorfreude auf den Wein-Jahrgang 2018.

Vieh auf trockenen Weiden – das war in diesem Sommer nicht nur in Brandenburg im Ökodorf Brodowin ein typisches Bild © https://www.brodowin.de

Auf das frühreife und ungewöhnlich warme Frühjahr folgten schnell Sommertage ohne Ende – und häufig ohne Niederschläge. Nicht nur in Brandenburg stand das Vieh auf trockenen Weiden. Heu am Stiel ist aber nicht gerade das, was die Milchleistung hoch hält. Im Ökodorf Brodowin leben rund 400 schwarz-bunte Milchrinder, davon etwa 220 ausgewachsene Milchkühe. Jede Milchkuh gibt über 7.500 Liter Milch im Jahr – normalerweise. Die 250 Brodowiner Milchziegen sind echte Feinschmecker. Von Frühjahr bis Herbst genießen sie das frische Grün auf ihren Weideflächen – dieses Jahr meckerten sie über das ausgedörrte Angebot. Auch die kleinen Wiederkäuer werden wie ihre großen Verwandten, die Kühe, zweimal am Tag gemolken. Bisher war die Herde mit den Ziegenrassen „Weiße Deutsche Edelziege“, einigen „Toggenburgern“ und vereinzelten „Saanenziegen“, allesamt gelten als ausgesprochene Milchziegen, mit etwa 700 bis 750 Liter Milch pro Melksaison dabei. Ziegenmilch ist ein saisonales Produkt, da es nur von Ostern bis Weihnachten zur Verfügung steht. Für 2018 musste das engagierte Team um Brodowin-Chef Ludolfvon Maltzan Abstriche machen bei der Milchmenge ihrer Tiere, denn mit mehr Kraftfutter wollen die Demeter-Bauern das wesensgemäße Raufutter nicht ersetzen.

 

Auf dem Bauckhof in Amelinghausen war die Kartoffelernte eine besonders staubige Arbeit – aber eine befriedigende, denn dank Beregnung fiel sie nicht so katastrophal schlecht aus wie bei manchem Kollegen. © https://www.bauckhof.de

„Dank unserer Beregnung sehen die Kartoffeln gut aus und sind so lecker wie immer“ – ziehen sie auf dem Bauckhof in der Lüneburger Heide das Erntefazit. Hier in Amelinghausen kann der Demeter-Hof aus drei Grundwasserpumpen die 200 Hektar Fläche mit Wasser vesorgen.  2018 mussten die Biodynamiker dreimal so viel beregnet wie in einem Durchschnittsjahr.  

Eine staubige Angelegenheit ist die Bodenbearbeitung nach der Ernte in diesem Jahr nicht nur auf Hof Bollheim gewesen. © https://www.bollheim.de

Nach der Ernte ist vor der Ernte. Wenn die Getreidefelder abgeerntet sind, muss der Boden für das nächste Jahr vorbereitet werden. Was hier wie der erste Herbstnebel auf Bollheim aussieht, ist die Bodenbearbeitung von Hof-Chef Hans von Hagenow. Der erfahrene Bio-Bauer in Nordhrein-Westfalen bedauert: „Dabei fliegt eine Menge Boden weg, aber bearbeiten müssen wir.“ Also hofft er auf bessere Bedingungen im nächsten Jahr. https://www.bollheim.de

Und was hat die ökologische Landwirtschaft als innovative Kraft der Bauernschaft dem unübersehbaren Klimawandel entgegen zu setzen?

  • Fruchtbaren Boden – der Humusanteil im natürlich gedüngten Boden ist weitaus höher als im konventionellen Bereich, wo Chemie alles Leben verdrängt. Nur im lebendigen Boden kann Wasser gut eindringen und länger gespeichert werden. Und nur mit reichlich Humus gelingt es, das klimaschädliche CO2 im Boden zu binden.
  • Vielfalt – wer auf seinen Äckern und in den Gemüsebeeten unterschiedlichste Kulturen anbaut, hat bei der Ernte selbst dann Ertrag, wenn eine Pflanze auf dem Weg zur Reife schlapp macht. Also Artenreichtum statt Monokulturen.
  • Eigene Sorten – dank der ökologischen Züchtung bei Getreide und Gemüse kann der Bio-Bauer/die Bio-Gärtnerin auf immer mehr eigene Sorten zurückgreifen. Sie sind standortangepasst und für die Bedingungen der Bio-Landwirtschaft entwickelt. So können sie auch mit den zunehmenden Wetterkapriolen besser klarkommen. Resilienz ist notwendig – auch im Pflanzenreich. Sie entsteht bei der Züchtung eigenständiger Sorten im Einklang mit der Natur – nicht im Labor von Konzernen.